Jungwissenschaftler tüfteln an internationaler Energiewende
Wie kann die Welt von morgen nachhaltiger und klimafreundlicher werden?
In Berlin arbeiten Studenten an dieser Frage in Sommer-Universitäten.
Und manchmal gelingt sogar der Brückenschlag aus dem Hörsaal in die
Praxis.
Früher wurde auf dem alten Industriegelände mit den roten
Backsteinfabrikgebäuden Erdgas gespeichert. Jetzt tüfteln rund 30
europäische Nachwuchswissenschaftler zwei Sommerwochen lang im Schatten
eines alten Berliner Speicherturms an Energiekonzepten der Zukunft.
Klaus Haschker vom Berliner Erdgas-Unternehmen GASAG, der die
Summer-School unterstützt, sieht in Deutschland eine wichtige
Vorreiterfunktion beim Umstieg auf erneuerbare Energien. "Eine sichere
Energieversorgung wird in Zukunft noch dezentraler und noch erneuerbarer
sein, das gilt auch und besonders für die Regionen Südamerika, Afrika
und Asien. Und ich glaube, hier spielt Deutschland eine ganz wichtige
Rolle."
Studienobjekt Energiewende
Torben Möller untersuchte die Windkraftindustrie in SchwellenländernIn
fünf Projektgruppen entwickeln die jungen Ingenieure, Mathematiker und
Ökonomen auf dem Energie-Campus EUREF der Technischen Universität Berlin
neue Ideen, wie Energie produziert, gespeichert und transportiert
werden soll. Ihre Fragen: Wie lassen sich Windräder, Solaranlagen und
Biogasproduzenten mit ihren unterschiedlichen Produktionszeiten so
koordinieren, dass am Ende konstant Strom zur Verfügung steht? Wie sieht
das optimal gedämmte Haus aus? Und wie lässt sich das Stromnetz
effizienter organisieren?
Deutschland kann mit Ideen helfen, C02 zu senken
Denkblockaden oder Tabus gebe es dabei keine, sagt Professor Frank
Behrendt, Organisator der Sommer-Universität und Sprecher für
Energiefragen der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften
(ACATECH). Nur der Blick dafür, dass Energie weit mehr sei als ein paar
Kraftwerke und Leitungen, dürfe nicht verloren gehen. "Deutschland ist
für circa drei Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich",
gibt Behrendt zu bedenken, "so dass wir selbst bei signifikanter
Reduktion dieser Emissionen das Weltklima natürlich nicht retten
können." Vielmehr könnten deutsche Unternehmen zusammen mit der
Wissenschaft, Produkte entwickeln, die dann im weltweiten Wettbewerb zu
erheblichen Vorteilen führten. "Weil wir dann eben First Mover, also
erster Entwickler sind."
Energie-Know-how als Exportschlager
Matthias Kimmel kennt den Know-how Transfer von erneuerbaren Energien in EntwicklungsländernDie
zukünftigen Entwickler und Energie-Manager sitzen in Berlin im Sommer
jetzt aber erst einmal im Hörsaal, lauschen Fachvorträgen über
Kraftwerkstechnik, intelligente Stromnetze und grüne
Unternehmensgründung. Sie besuchen selbst Kraftwerke und organisieren
gemeinsam die wenige freie Zeit, die ihnen neben Projektarbeit und
Vorlesungen bleibt.
Mit dabei ist auch der Politikstudent Matthias Kimmel, der sich auf
Erneuerbare Energien spezialisiert hat. Bei der US-amerikanischen
Forschungseinrichtung Worldwatch-Institute schrieb er an einer Roadmap
mit, die grünen Technologien im Entwicklungsland Dominikanische Republik
zum Durchbruch verhelfen soll. "Es ist auf jeden Fall notwendig, so
einen Nord-Süd-Transfer zu gestalten. Das heißt, dass der Norden dem
Süden hilft, diese Umstellung möglich zu machen", lautet sein Credo.
"Gleichzeitig ist es aber auch sehr wichtig, einen Süd-Süd-Transfer zu
machen, das heißt von anderen Entwicklungsländern zu lernen".
Erfolge durch Kooperation
Das Team von DeCo in Ghana Dass
der Know-how-Transfer im Energie- und Klimaschutzbereich auch in der
Praxis und nicht nur im Hörsaal funktioniert, haben fünf internationale
Studierende auf dem Berliner Energie-Campus bereits im letzten Jahr
bewiesen. Bei einer Summer School trafen vier Studenten aus Europa und
Amerika auf einen Teilnehmer aus Ghana. Dabei entstand die Idee für
"DeCo!", ein Klima- und Umweltschutzprojekt in Ghana, das inzwischen mit
dem UN-Nachhaltigkeitspreis SEED ausgezeichnet wurde.
"DeCo! ist ein soziales Unternehmen. Wir arbeiten mit den Kleinbauern
vor Ort zusammen, denn uns wurde klar, dass gerade im Savannengebiet
Nordghanas mit dem ausgelaugten Ackerboden etwas geschehen muss",
erzählt Mitgründer Yakubu Inusah aus Ghana. "Der Boden ist ausgebeutet,
hat nur noch wenig organische Biomasse in sich. Nicht zuletzt, weil über
Jahrzehnte Kunstdünger darauf geworfen wurde." Deswegen hatten die
Gründer von DeCo! die Idee, dem Boden das organische Material durch
Kompost zurückzugeben, um Landwirtschaft im Norden Ghanas wieder möglich
zu machen.
Bio-Dünger für die Dorfgemeinschaft in Ghana
Die Kompostierungsanlage in Ghana verwandelt biologische Abfallprodukte in Bio-DüngerAuch
vor DeCo! gab es schon Versuche, im Norden Ghanas Anlagen für die
Bio-Düngerproduktion zu etablieren. Doch entweder die Qualität des
Düngers stimmte nicht, oder die Finanzierung war nicht gesichert. Für
beides hatten die fünf Teilnehmer der Summer School und ihre lokalen
Partner in Ghana die richtigen Antworten. Professionelle Kleinbetriebe
wurden konzipiert, basierend auf passgenauen technischen Erfahrungen aus
der europäischen Abfallverwertungsindustrie. Und die lokale Bevölkerung
wird eingebunden - als Konsument, Produzent und Mitarbeiter der
Bio-Düngerproduktion.
So kauft das soziale Unternehmen DeCo! den Einwohnern von bis
zu sechs Dörfern ihre biologischen Abfälle und Speisereste ab, um sie
dann zu nährstoffreichem Dünger weiterzuverarbeiten. Vor allem
Kleinbauern können den Bio-Dünger danach zu erschwinglichen Preisen
wieder zurückkaufen. Ein Kreislauf, an dessen Ende Jobs vor Ort und
guter Boden stehen.
Gute Jobperspektiven
Noch sind die Studenten der diesjährigen Energie-Summer School nicht
so weit, fertige Lösungen wie im Falle DeCo! zu präsentieren. Doch bei
der Abschlusspräsentation ihrer fünf Projektgruppen wurde deutlich: ohne
internationale Zusammenarbeit und die Einbeziehung der Gesellschaft
wird der Umbau des Energiesystems nicht funktionieren. Gute Aussichten
für Menschen, die hier neue Wege für die weltweite Energieversorgung von
morgen studieren, erproben und entwickeln.
Autor: Richard A. Fuchs Redaktion: Gero Rueter
http://www.dw-world.de/dw/article/0,,15196951,00.html
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