Im Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik rauschen die
Sequenzier-Automaten um die Wette. Auf den Monitoren neben den
kühlschrankgroßen Automaten leuchten grüne, rote, blaue, und gelbe
Farbkleckse. Sie stehen für die vier Buchstaben des genetischen
Alphabets: Adenin (A), Thymin (T), Cytosin (C) und Guanin (G). Sechs
Milliarden dieser so genannten Basen bilden gemeinsam den genetischen
Bauplan für einen Menschen.
Wofür die größten Forschungsinstitute der Welt beim
Human-Genom-Projekt in den neunziger Jahren noch zehn Jahre brauchten,
geschieht heute in nicht einmal zwei Wochen. "Die Geräte der nächsten
Generation werden das gleiche in fünfzehn Minuten schaffen", verspricht
Hans Lehrach, der Leiter der Genom-Forschung am Berliner
Max-Planck-Institut. Dann werde man in der Lage sein, das Erbgut vieler
tausend Menschen zu vergleichen, um besser als heute krankmachende
Erbanlagen aufzuspüren.
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mit der Bildunterschrift: Genom-Pionier
Hans Lehrach, MPI für Molekulare Genetik in Berlin In
den vergangenen Wochen haben die Automaten in Berlin einige Dutzend
menschliche Proben des internationalen 1000-Genome-Projekts sequenziert.
Gemeinsam mit den großen Genom-Zentren in den USA, Großbritannien und
China soll in den nächsten Jahren das Erbgut von 2500 Menschen erforscht
werden. Die Proben stammen aus allen Regionen der Welt und sollen den
Forschern einen detaillierten Überblick über die genetische Vielfalt des
Menschen geben.
Von Durchbrüchen ist nicht die Rede
Doch wie schon beim Human-Genom-Projekt können dadurch weder
Krankheitsursachen entdeckt noch Therapien entwickelt werden, wenden
Kritiker ein. Denn es werden nur gesunde Personen untersucht, und neben
den Genom-Daten keine weiteren Informationen über die Probanden
gesammelt. Das sei auch nicht das Ziel dieser Forschung, betont Hans
Lehrach: "Das Genom ist ein enorm wichtiges Hilfsmittel, um darauf
aufzubauen", erklärt er, "aber es ersetzt nicht die Analyse der
medizinischen Probleme." Die in den Computern gespeicherten
Informationen sollen als eine Art Katalog Medizinern und Pharmaforschern
helfen. Mehr können sie nicht.
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mit der Bildunterschrift: Genom-Proben
für die Sequenzierung Ob die Genom-Forschung in den
vergangenen Jahren die Medizin voran gebracht hat, auch darüber gibt es
unter Fachleuten unterschiedliche Ansichten. Hans-Hilger Ropers,
ebenfalls vom Berliner Max-Planck-Institut, hält es für zielführender,
einzelne Patienten, ihre Familien und deren Erbanlagen zu untersuchen,
statt immer mehr Genome zu sequenzieren und einen Datenberg anzuhäufen,
der kaum verwertbare Informationen enthält.
Hans Lehrach hält diese Kritik für ungerechtfertigt. Bei der
Behandlung von Krebs werde man schon bald die Genom-Analyse gezielt zum
Nutzen von Patienten einsetzen können, verspricht er. Denn im Genom von
Tumorzellen lasse sich ablesen, ob bestimmte Medikamente den Tumor
wirksam bekämpfen oder nicht. So könnten schon in den nächsten Jahren
Behandlungen vermieden werden, die zwar Nebenwirkungen hervorrufen, aber
den Tumorzellen nichts anhaben können. "Diese Methode wird bald ein
Standardverfahren in der Krebsforschung sein", verspricht Hans Lehrach.
Der Genom-Pionier ist auch zehn Jahre nach der Entzifferung des ersten
menschlichen Genoms Optimist. Seiner Ansicht nach hat die große Zeit der
Genom-Forschung gerade erst begonnen.
Autor: Michael Lange
Redaktion: Judith Hartl