Die Windräder an
der Nordsee produzieren Strom für rund eine halbe Millionen Haushalte in
Deutschland. Auch wenn sie deutlich mehr leisten könnten, das Stromnetz
ist nicht in der Lage mehr zu verarbeiten. Kommt mehr Windstrom,
schaltet es sich ab.
Bildunterschrift: Großansicht des Bildes mit der Bildunterschrift: Überproduktion - Windräder könnten mehr Strom liefern, dürfen aber nicht
Dieses Problem ist
gleichzeitig eines der Hauptargumente der Stromnetzbetreiber, die Kohle
und Gas verfeuern. Sie sagen: Nur mit fossiler Energie kann eine sichere
Versorgung gewährleistet werden. So lieferten 2009 in Deutschland noch
immer Kohle, Gas- und Atomkraftwerke den größten Teil des Stroms. Nur 15
Prozent stammen aus regenerativen Energie-Quellen.
Große Ziele, komplizierte Lösung
Deutschlands
Klimaziele stecken höher: Bis 2020 soll der Ökostromanteil bei 40
Prozent liegen. Es muss sich also etwas bewegen, ein sicheres Netz muss
her, ein sogenanntes Supergrid.
Forscher am
Fraunhofer-Institut in Kassel planen dieses Supernetz, mit dem mehr
Ökostrom geliefert werden kann als bisher. Sie sagen sogar, dass die
geplanten 40 Prozent Ökostrom weit hinter den Möglichkeiten der
erneuerbaren Energien liegen. 100 Prozent grüne Energie für Deutschland
- das ist ihr erklärtes Ziel. Ihr Stromnetz hat gigantische Ausmaße, es
reicht durch ganz Europa bis hinein nach Nordafrika.
Jürgen Schmid ist
einer der wegweisenden Forscher. Er sagt: "Kollegen haben ausgerechnet,
dass allein die Standorte in Norwegen ausreichen würden, ganz Europa mit
Strom zu versorgen. Allerdings haben wir große Schwankungen. Wir haben
dort vor allem größere Erzeugung im Winter und weniger im Sommer.
Deshalb hätten wir im Sommer ein Problem und das müssen wir ausgleichen
durch Kombination mit Windkraftwerken an anderen Standorten."
Verschiedene Staaten
könnten, so hoffen Schmid und seine Kollegen, mit vereinten Kräften
Stromlücken ganz einfach schließen. Wind oder Sonne gibt es schließlich
überall, und wenn in Deutschland die Sonne nicht scheint oder der Wind
nicht weht, dann vielleicht in Norwegen. Die Energie würde von einem in
das andere Land geschickt und sorgt für Licht in der guten Stube oder
Kälte im Kühlschrank.
Bildunterschrift: Supernetz - Über lange Wege nur im Gleichstromverfahren erfolgreich
Teststrecke nach Norwegen
Ob so ein
Stromausgleich über Ländergrenzen hinweg funktioniert, werden die
Experten bald testen können. Ab 2011 soll es eine Verbindung zwischen
Deutschland und Norwegen geben, 600 Kilometer wird sie lang sein.
Das Szenario: Die
deutschen Windräder an der Nordsee produzieren zu viel grünen Strom. Der
Überschuss wird nach Norwegen geleitet. Hier stellen die
Wasserkraftwerke ihre Arbeit ein, schließlich kommt genug Energie über
die Nordsee. Die Stauseen füllen sich. Herrscht umgekehrt im deutschen
Stromnetz Flaute, laufen die Wasserkraftwerke in den norwegischen Bergen
wieder an und produzieren Strom, der dann nach Deutschland exportiert
werden kann.
Hoffnung, Kritik und offene Fragen
Bildunterschrift: Großansicht des Bildes mit der Bildunterschrift: Nordafrikanische Sonne - Das Supergrid reicht über's Mittelmeer hinaus
In der Theorie klingt
es logisch und einfach, in der Praxis aber hat so ein Netz einen teuren
Haken: Je länger eine Stromleitung ist, desto mehr Strom kommt nicht
beim Empfänger an, sondern geht unterwegs verloren. Zumindest, wenn das
Netz mit der üblichen Wechselstromtechnik funktioniert. Im
Gleichstromverfahren dagegen geht fast gar nichts verloren. Aber solche
Leitungen gibt es bislang nicht. Voraussetzung für ein Supergrid sind
daher neue Leitungen, so genannten HGÜs
(Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung). Und die sind teuer. Es bleibt
die Frage, ob sich der Aufwand überhaupt lohnt. Vor allem, wenn sogar
Sonnenstrom aus Nordafrika an das Supergrid angeschlossen werden soll.
Noch ist alles
Zukunftsmusik. Weder gibt es das Supergrid schon, noch weiß jemand, wer
das Netz verwalten soll, oder wie teuer eine Kilowattstunde Sonnenstrom
aus der Wüste im Jahr 2030 sein wird. Dennoch: Forschung und Politik
sind sich einig, dass mehr Ökostrom ans Netz kommen soll. Das Supergrid
wäre eine adäquate Lösung.
Lesen Sie dazu unser Interview mit Dr. Kurt Rohrig vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik in Kassel.
Autor: Klaus Esterluß
Redaktion: Mabel Gundlach